Die geheimnisvolle Regie des Lebens

Wenn ich Menschen erzähle, dass der Werkhof im Sommer 2019 vierzig-jähriges Jubiläum gefeiert hat, dann reagieren etliche so richtig andächtig …..
Ja, es ist eine stolze Zahl, die für reiches, buntes Leben steht, für viele intensive, heilsame Augenblicke, für persönliches und gemeinschaftliches Wachsen, für warme Herzens-Begegnungen…..
…. und von unserer Seite aus natürlich auch für viel Schaffen, Gestalten, Kümmern, immer wieder auch Sorgen, nach dem „Motto“ von Paolo Coellho „Träume machen Arbeit“.

Unter einfachsten Bedingungen mit viel Improvisations-Kunst begann Albert 1979 mit den ersten Sommer-Seminaren. Er hatte damals über die Bioenergetik einen neuen Zugang zum Körper entdeckt.
Seine damalige Lebensgefährtin Astrid sorgte für den liebevollen Rahmen.
Das war Sommer 1979 – Ende 1980 im „alten Hof“, dem Karthäuserhof ( Ferme Chartreuse ) bei Kerling-les-Sierck, ganz in der Nähe von Ste. Marguerite.

Einer von Alberts Lehrern hatte ihm das Bild „Leiter eines Therapiehofs“ mitgegeben, eine Vision, die bei Albert auf fruchtbaren Boden gefallen ist und die er beherzt in die Tat umsetzte.

Albert und ich haben uns durch eine Anzeige kennen gelernt im Jahr 1980. In der Zeitschrift „Psychologie heute“ fiel mein Blick auf die Einladung zu einem Sommer-Seminar in der Weite der lothringischen Landschaft. Auf diese Anzeige hat mein Herz direkt reagiert.
Dazu beigetragen hat auch sehr stark, dass meine Schwägerin mir damals das Buch „Bioenergetik“ von Alexander Lowen ausgeliehen hatte. Ich war total fasziniert von diesem Ansatz und es hat mich sehr gereizt, das zu erleben…..

…..Von da an nahm alles seinen unerwarteten Lauf ……..und ich bin im Sommer 1982 ganz nach Ste. Marguerite gezogen, kurz vor der lebenslänglichen Verbeamtung.
Wobei ich sagen möchte, dass ich mein Leben in Stuttgart bis dahin sehr wertvoll und erfüllend fand. Und nun war ein Schritt in Neuland dran.
Spannenderweise hatten mir meine Eltern bei der Geburt als zweiten Namen schon die Margarete mit gegeben.

Die ersten Werkhof-Jahre waren aus meiner Sicht stark geprägt durch eine kraftvolle, lebendige Aufbruchsstimmung, durch In-Frage-Stellen von Überzeugungen, Ideen, Normen.
Die Neu-Gier, was es außerhalb der bisher gesteckten Grenzen zu entdecken gibt, hat uns mutige Schritte gehen lassen.

Astrid hat in diesen Anfangs- und Aufbau-Jahren in vieler Hinsicht mit gewirkt und mit gestaltet.
Sehr gerne erinnere ich mich auch an ein paar Raku-Zauber-Momente mit ihr.

Wenn ich so auf die gesamte Werkhof-Zeit schaue, dann finde ich es auffallend und berührend, dass es immer so deutliche Zeichen gab und gibt, was jetzt ansteht, welches der nächste Schritt ist, wo uns die geheimnisvolle Regie des Lebens hinträgt:
für unser persönliches Leben, auf unserem Weg als Therapeuten, als Begleiter in die Innen- und Beziehungsräume, und auch im Ausbauen und Gestalten des Werkhofs.

Dazu ein paar markante Ereignisse:

1981 war der neue Hof erst mal nur zu mieten, für umgerechnet 100 DM im Monat.
1986 haben sich die damaligen Besitzer entschieden, ihren Hof an uns zu verkaufen. Mit Hilfe von „Hof-Bausteinen“, d.h. Privat-Darlehen von Freunden und Bekannten, konnten wir ihn auch finanzieren. Was wir geliehen bekamen war auf 500 DM genau das, was uns gefehlt hat. Warmen Dank jetzt in diesem Rückblick nochmal an alle Hof-Teilhaber !
Von da an konnte das Ausbauen und Gestalten ungebremst weitergehen, wobei wir vorher auch schon etliche bauliche „Fakten geschaffen“ hatten.

Aus unser beider Rebirthing-Erfahrungen im warmen Wasser heraus kam der Wunsch auf, dieses tiefe Erleben von Warm-umfangen-und-Getragen-Sein in Verbindung mit dem intensiven Atmen auch anderen Menschen zugänglich zu machen.
Zunächst hatten wir in einem AWO-Kellerbad in Merzig und im Hotel-Bad von Margaretenhof in Berus begonnen mit dem Atmen im körperwarmen Wasser.
Das war dann irgendwann beides nicht mehr möglich.

Und so hat Albert – wie es seine unverwechselbare Art war – eines Tages vorgeschlagen, ein eigenes Wasserbecken zu bauen. Zum Glück wussten wir im Vorfeld nicht, was das bedeutet ! Aber auch hier haben wir viel überraschende Unterstützung und wohlwollende Kräfte erlebt. Mit sehr viel eigener Arbeit, mit Hilfe unserer Handwerker und mit einem unterstützenden Berater, den wir auf wundersame Weise gefunden haben, ist zunächst das Wasserbecken und dann die Pyramide entstanden. Seit dieser Zeit ist ein Werkhof ohne diesen Pool undenkbar.

1992 haben wir mit einem feierlichen Ritual unsere Hochzeit gefeiert, ein wunderbares, inniges, reiches Fest, getragen, von ganz viel Wohlwollen, liebevoller Aufmerksamkeit und der Mitfreude vieler Herzens-Menschen.

Albert war schon etliche Jahre Therapeut (Gespräch, Körper), als wir uns kennen gelernt haben.
Unsere ersten gemeinsamen heilsamen Erfahrungen mit Rebirthing ( intensives verbundenes Atmen ) hatten wir in Stuttgart bei Henner Ritter.
Der Spur des Atems bin ich dann gefolgt und habe 1985 die Rebirthing-Ausbildung gemacht.

Viele Elemente sind im Laufe der Werkhof-Jahre dazu gekommen:

Trance-Reisen, Familien-Systemik, Rituale, die Lieder – auch als Teil des therapeutischen Raums, das Tönen, das Gestalten in der Werkstatt ….

Mit viel Freude, Leidenschaft und Liebe haben wir Menschen begleitet in Einzel-Sitzungen, Rebirthing-Abenden, Wochenend-Seminaren, Jahresgruppen, Männer- und Frauengruppen, Ausbildungsgruppen…..

Die ersten 5 Ausbildungsgruppen leitete Albert in Zusammenarbeit mit Assistentinnen. Viele Menschen haben hier sehr Wertvolles, Grund-legendes für sich, für ihr Leben gefunden.

Ab einem bestimmten Punkt war es klar, dass wir dieses Projekt Ausbildung gerne gemeinsam angehen wollen und es gab dann noch 5 Ausbildungen, die wir gemeinsam geleitet haben. Zunächst hat es natürlich eine Zeit gebraucht, um da unseren gemeinsamen Weg zu finden.

Unser Anliegen war es, einen Raum zu schaffen, in dem Menschen ihr Ureigenes finden und heraus-bilden können, die eigene innere Kompetenz.
Viele haben Wichtiges über ihre Wurzeln, ihre Ahnen erfahren, über ihre Schätze und Gaben. Immer wieder wurden auch Gestalten entdeckt und eingeladen, die in den Schatten, in die Verbannung geraten waren.
Gerne hat Albert in diesem Ausbildungs-Zusammenhang von einem Koffer mit Werkzeugen für ein gutes, erfülltes Leben gesprochen.

Diese Jahre haben wir als etwas sehr Wertvolles empfunden, das gemeinsame Schaffen, jeder mit seinen Fähigkeiten, diese Ergänzung.

Im Hof kamen immer wieder Zimmer und ganze Etagen dazu.
Albert hat sich jedes Mal total gefreut, wenn er einen Grund geliefert bekam, das nächste Zimmer zu bauen. Er hat gestrahlt, innerhalb kürzester Zeit gab´s einen Plan und dann Ärmel hoch und ran !
Ich habe keine Ahnung, wie viele Stunden wir im Bauhaus verbracht haben !

Von Anfang an gab es im Werkhof gestalterische Aktivitäten.
Einiges hat sich draußen auf der Wiese abgespielt und war dann auch wetterabhängig.
Nachdem wir in einer Frauen-Jahresgruppe fast bei jedem Termin einen Raum frei geräumt haben, um etwas mit unseren Händen zu schaffen ( Spiegel, Schilde, Ritual-Gewänder, Bücher…. ), meinte Albert, dass es jetzt wohl an der Zeit ist, eine Werkstatt zu bauen.
Es war der ehemalige Kuhstall, in dem dann 1997 der Ausbau der Hof-Werkstatt begann.

Dass diese Werkstatt einmal sooooooo ein begehrter Ort werden würde und so viel buntes Leben dort stattfinden würde, konnte niemand ahnen …
Es ist wunderschön für mich, Menschen dort so bei sich und oft sehr glücklich zu erleben.

Worum ist es eigentlich gegangen ist in all den Jahren ?

Manchmal hat Albert im größten Baustellen-Trubel durchs Haus gerufen:
„Sag mal, Schatz, wofür machen wir das alles eigentlich ?“

Meine Antwort heute ist sehr schlicht:

Es ging immer um die Liebe, um einen geborgenen Raum für alles, was ist,
die Liebe zu sich selbst mit wirklich allem, was dazu gehört: zur eigenen Geschichte,
zu den eigenen Fähigkeiten, zu „Fehlern“, „Schwächen“, „Schuld“, zu den ureigenen Ausdrucksmöglichkeiten, zu den bisher ungeliebten Gestalten, den hellen und dunklen Unerhörten im Inneren.

Das sehe ich auch als das Heilsame in den Herzens-Runden.

Wenn Menschen sich äußern, was sie als das Wesentliche im Werkhof empfinden, dann ist es ganz oft, dass alles Platz hat, dass alles sein darf, was jetzt ist und dass damit der Stress abfällt, den wir erleben, wenn wir meinen, etwas anderes darstellen zu müssen.

Die Begegnungen, die aus diesem Herzens-Raum heraus, aus dieser liebevollen Verbindung mit sich selbst, möglich sind, erfüllen mich mit großer Freude.
Da finde ich auch die jungen Menschen auf dem Hof oft beeindruckend, wenn statt Bewertung und Verurteilen ein Nachfragen und Mitfühlen kommt, auch für das Anderssein des anderen Menschen.
Der Gedanke von Rumi begleitet uns schon lange: „Jenseits von richtig und falsch ist ein Ort. An dem treffen wir uns.“

Es gäbe noch unendlich viel zu sagen – die Kultur des Herzens, der Garten der Menschlichkeit, die Sache mit dem Segen, der Freiraum in bergenden Grenzen, ….. aber ich lasse es nun hier dabei.

Ich spüre eine sehr große Dankbarkeit für alles, was ich mit Albert zusammen erleben durfte, das Innige, das Miteinander, das sich Ergänzende, auch das Schmerzliche, durch das viel Putz gebröckelt ist ….
„mit Schatten und mit Tränen, mit Lachen und mit Glück…. „ (Klaus Hoffmann)

Und die Liebe bleibt.

Ich bin auch sehr dankbar für alle Unterstützung, die ich erfahren habe, seit Albert gegangen ist, Freunde und Familie, all die guten Geister im Hof um den Hof herum, die da sind, mitwirken, mitmischen, konkret zupackend und mit Ideen wie z.B. während der „Bauhütte“ und aus der Ferne mit wohl-wollenden Gedanken, mit Wünschen, Gebeten ……

Und ich danke von Herzen all den unsichtbaren Kräften, die so spürbar behütend und unterstützend da sind !

Das gemeinsame Schaffen und Gestalten hier an diesem Ort, der für viele Heimat bedeutet, Freiraum, Geborgenheit in Gemeinschaft, sich-spüren jenseits der Verpflichtungen , einfach mal sein …… empfinde ich als etwas zutiefst Kostbares.

Und dass dieser Ort so vielen Menschen am Herzen liegt, das berührt mich immer wieder sehr.

Möge das alles noch lange so leben, wachsen, glitzern und gesegnet sein !

Ellen